50 Jahre Stiftung Dialog – Carol Schafroth auf Spurensuche

Zum 50-jährigen Jubiläum der Stiftung Dialog habe ich mich auf Spurensuche gemacht. Was hat die Stiftung in diesem halben Jahrhundert erlebt, welche Spuren hat sie hinterlassen? 

Seit ich 2017 beim Campus für Demokratie gestartet habe, stehen sie bei uns in den Regalen. Bundesorder gefüllt mit auf Schreibmaschinen geschriebenen Protokollen und mit Matrizendruck gefertigten Vertragsabzügen. Sie sind voll mit spannenden Informationen über die Ursprünge der Stiftung Dialog. Diese Stiftung, die zahlreiche Projekte in Sachen politischer Bildung in die Wege geleitet, 2015 den Campus für Demokratie lanciert hat und ist noch immer unsere Trägerorganisation ist.  

Doch beginnen wir ganz von vorne: In St. Gallen, 1974. Dort schlossen sich Politiker aus politisch unterschiedlichen Lagern zusammen, um jungen Menschen die Welt der Politik näher zu bringen. Die Stiftung Dialog war geboren. Mit Ulrich Kägi wurde das erste Präsidentschaftsamt ausgezeichnet besetzt. Wie ich im Historischen Lexikon der Schweiz lese, war er als Politiker und Redaktor bei der Weltwoche ein kritischer Bürger und Fan der sozialen Demokratie. Gleich im Gründungsjahr bringt die Stiftung die erste Edition ihres Jugendmagazins «Dialog» raus. Dieses wird bis 2017 von der Stiftung Dialog herausgegeben, zeitweise sogar in den vier Landessprachen. In den Protokollen lese ich, dass man schnell gemerkt hat, dass eine französische Ausgabe nicht einfach die Übersetzung der deutschsprachigen sein konnte. Ich muss lächeln. Die Vorstellung, dass man für die Romandie einfach nur übersetzen kann, ist noch heute weit verbreitet. Ich hoffe, dass es uns gelingt, die verschiedenen Regionen etwas besser zu integrieren. 

An Kreativität mangelte es dem Jugendmagazin Dialog nie. In den zahlreichen Ausgaben finden sich einige grafische Prachtstücke, die wir in unserem neuen Schaufenster präsentieren.  

(Für eine detaillierte Ansicht der Magazincovers nach unten scrollen)

1986 zieht die Stiftung nach Bern um. Den Grund dafür finde ich nicht, ich gehe aber davon aus, dass es mit der Nähe zum Parlament zusammenhing. Schliesslich sind im Stiftungsrat alle Bundesratsparteien vertreten. Die neue Urkunde aus diesem Jahr ist vom ehemaligen Präsidenten und Altnationalrat Dr. Peter Hess unterschrieben. 

Dieser Umzug markierte den Beginn einer neuen Ära für die Stiftung. Ein bedeutendes Projekt in diesem Zusammenhang war die Jugendsession, deren Geschichte ich bei meiner Spurensuche genauer unter die Lupe nahm. In den Protokollen finde ich, dass die Stiftung Dialog bereits 1988 die erste Jugendsession lanciert hatte. Diese fand erfolgreich im Grossratsaal in Bern statt. Ich bin erstaunt, ich dachte, dass die Jugendsession 1991 im Rahmen der 700-Jahr-Feier der Eidgenossenschaft eingeführt wurde. Ich schreibe Nadine Aebischer von der SAJV und auch sie wusste nichts davon.

Ich finde Dr. Peter Hess über das Anwaltsbüro Reichlin Hess AG in Zug und telefoniere mit ihm, um mehr über die Vergangenheit zu erfahren. Er erinnerte sich, an der Vorbereitung und Durchführung von mehreren Jugendsessionen beteiligt gewesen zu sein. Der ehemalige Präsident der Stiftung Dialog erzählt mir von der Zusammenarbeit mit der SAJV für die Jugendsession 1991. Die Stiftung Dialog konnte zusammen mit Parlamentariern im Budget 1991 für die Jugendsession 1991 einen Bundesbeitrag von CHF 100’000 organisieren, während die SAJV die Jugendlichen mobilisierte. In den Protokollen finde ich die Evaluationen und lese darin: Auf die Grussworte von Bundesrat Cotti hätten sie verzichten können und dass sie die Session nächstes Mal gleich gerne selbst organisieren möchten. Das war vielleicht auch der Grund, weshalb die SAJV diese dann nach einer nächsten gemeinsamen Durchführung 1993 federführend übernommen hatte. Ich freue mich, dass wir noch eine weitere Verbindung mit der SAJV gefunden zu haben und dass sie nach wie vor jährlich mit Jugendlichen zusammen die Session organisieren und durchführen.

Spannend finde ich, dass die Stiftung 1986 einen Leitfaden für die Durchführung von Jungbürgerfeiern für Gemeinden erstellt. Offenbar wiederholen sich die Ideen: Mit dem Campus für Demokratie erarbeiten wir ebenfalls partnerschaftlich Anleitungen für Aktionen zum Tag der Demokratie für spezifische Zielgruppen wie z.B. Bibliotheken. 

Von Dr. Peter Hess erfahre ich auch, dass Rolf Walker, langjähriger Geschäftsführer der Stiftung, sich besonders als Pionier der politischen Bildung engagiert hat. Gerne würde ich auch mit ihm ein Gespräch führen. Doch leider finde ich heraus, dass er 2021 verstorben ist, wie die Solothurner Zeitung schreibt. Schade, ich hätte ihn sehr gerne persönlich kennen gelernt. Dank seiner Zusammenarbeit mit der deutschen Hertie Stiftung, holte man das Projekt «Jugend Debattiert» in die Schweiz. Die Unterlagen von «Jugend Debattiert» wurden unter seiner Leitung übersetzt und an Schweizer Bedürfnisse angepasst. Lehrpersonen nutzen diese im Deutsch- oder Geschichtsunterricht und schicken ihre besten Debattierer:innen ans landesweite Finale. Ab 2013 wurde das Projekt als Mandat vergeben, weil die damalige Geschäftsführerin gekündigt hatte. Wir sind froh, dass «Jugend Debattiert» heute, unabhängig von uns, erfolgreich von YES – Young Enterprise Switzerland und dem Netzwerk schweiz debattiert weitergeführt wird. 

Es waren finanzielle Schwierigkeiten, die zum Ende des Jugendmagazin «Dialog» führten. Anfangs hat die Bundeskanzlei die Herausgabe des Hefts mitfinanziert, mit der Zeit wurden die Gelder gekürzt, so dass 2007 die Mittel dann sehr knapp wurden – dementsprechend nimmt auch die Qualität der Hefte ab. Guter Journalismus kostet. Im selben Jahr gab es aber schon die ersten Ideen zum Campus für Demokratie. Die Idee kommt von Christian Graf, der damaligen Projektleiter von Jugend debattiert. Er sah Potential, dass es in der Schweiz zwar viele gute Praktiken, Studien, zivilgesellschaftliche Initiativen, Netzwerke und Gesetze gibt, welche die Demokratie lebendig halten und politische Bildung fördern, diese aber untereinander wenig bekannt sind und noch zu wenig zusammenarbeiten. Der Campus für Demokratie soll diese Lücke schliessen und schweizweit, sektorenübergreifend die Koordination von Akteur:innen aller drei Staatsebenen übernehmen. Der Stiftungsrat ist überzeugt von Grafs Vision, doch erste Anläufe scheitern an der Finanzierung und an den vielen Wechsel in der Geschäftsführung, wie ich aus den Protokollen erfahre. 

Erste Ausgabe: «Parteien – Was wollen sie?» 1974

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Im Jahr 2015 feiert die Neue Helvetische Gesellschaft ihr 100-jähriges Jubiläum und Hans Stöckli, der damalige Präsident und alt-Ständerat, kontaktiert Jean François Steiert, den Präsidenten der Stiftung Dialog, für eine offizielle Lancierung des Campus für Demokratie. Rolf Gollob von der PH Zürich und Markus Gander von infoklick arbeiten intensiv an den Konzepten mit und begleiten das Projekt zusammen mit dem Beirat, der aus Vertreter:innen vom DSJ, der SAJV, von education21, der EKM und dem Zentrum für Demokratie Aarau besteht. Am 21. März 2015 wird der Campus für Demokratie in Anwesenheit der Bundespräsidentin offiziell lanciert. 

Als genügend Geld gefundraist wurde, durfte ich zwei Jahre später die Geschäftstelle vom Campus für Demokratie und somit auch von der Stiftung Dialog wieder aufbauen. Von 2017 bis 2020 haben wir in jedem unserer 26 Kantone eine «Campus für Demokratie vernetzt in…»-Veranstaltung durchgeführt – stets zu einem Thema der politischen Bildung oder Partizipation, mit wissenschaftlichen Impulsen und dazu passenden Good Practices. So haben wir ein nationales Netzwerk aufgebaut. Der Campus für Demokratie stellt neben der Vernetzungsarbeit auf der Website die verschiedenen Initiativen, Lernmedien und Projekte vor, vertritt die Anliegen der politischen Bildung an Veranstaltungen und in Gremien und berät bei Fragen zu politischer Bildung und Partizipation persönlich, per Mail oder Telefon.  

2021 hat der Campus für Demokratie durch einen partizipativen Prozess eine neue Aufgabe erhalten: die Koordination des Internationalen Tages der Demokratie. Die Rolle besteht darin, neue Akteur:innen zu motivieren eine Aktion mit ihrer Zielgruppe zu veranstalten – so dass am 15. September jährlich möglichst viele Demokratie-Veranstaltungen stattfinden. Ausserdem unterstützen wir die Akteur:innen mit Austauschtreffen, Vorlagen und Kommunikationsmaterial. Seit 2023 führt der Campus für Demokratie gemeinsam mit der Initiative Offene Gesellschaft aus Deutschland und der Demokratie 21 das Demokratienetzwerk für kollektive Strategien, Faktor D, um im deutschsprachigen Raum demokratische Kräfte zu bündeln. 

Auch wenn ich leider noch immer nicht alle Protokolle und Jahresberichte gesichtet habe und die insgesamt 143 Dialog Hefte als Zeitzeugen von mir ungelesen bei uns im Büro liegen, bin ich beeindruckt über die Arbeit der Stiftung Dialog und ihrer Wirkung. Das Präsidium und die Mitglieder des Stiftungsrates sind bis heute ehrenamtlich unterwegs und haben sehr viel für die Entwicklung der politischen Bildung in der Schweiz getan. Ich fühle mich geehrt, dass ich diese 50-jährige Tradition fortsetzen darf.  

Carol Schafroth 

Covers «Dialog» im Schaufenster

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